Direkt zum Inhalt wechseln

Welt in Aufruhr


die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert

Cover des Buches
  • Buch
  • Münkler, Herfried
  • Rowohl, 2023. - 526 Seiten

Mit dem Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seit dem Winter 2022 scheint der Abschied von einer „alten“ Weltordnung endgültig abgeschlossen zu sein. Mehr als vier Jahrzehnte schien die bipolare Mächtekonstellation der Garant für eine stabile Weltordnung zu sein – zumindest aus eurozentrischer Perspektive, wie Herfried Münkler einwendet: „Sieht man jedoch etwas genauer hin und weitet das Blickfeld auf den globalen Süden, so hat es auch in der Zeit zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Zerfall des Sowjetimperiums eine Reihe disruptiver Entwicklungen gegeben, wie etwa das Ende der europäischen Kolonialreiche.“ Angesichts einer Reihe geopolitischer Verwerfungen dominiere daher derzeit das etwas alarmistische Narrativ einer „Weltunordnung“, mit dem der deutsche Politikwissenschaftler nicht so ganz einverstanden ist. Tatsächlich sei ein Wandel der Weltordnung zu beobachten, wie er in der Geschichte der Menschheit stetig stattgefunden habe – wenngleich sich dieser Wandel früher über viel längere Phasen erstreckt habe. Die Beschleunigung der Entwicklungen sei freilich ein Charakteristikum der Moderne, das in Kombination mit der Erosion konventioneller Schemata und Bewertungskriterien („gut/böse“, „Westen/Osten“, „liberal/autoritär“) eben zu jener Verunsicherung und Wahrnehmung einer „Welt im Aufruhr“ führe. Münklers Anspruch ist an dieser Stelle ein ambitionierter: Weder genügen ihm an dieser Stelle rückblickende Analysen des Geschehenen, noch beschränkt er sich auf normative Überlegungen einer wünschenswerten Weltordnung. Vielmehr wagt er das riskante Unterfangen modellhafter Prognosen und argumentiert auf Grundlage historischer Entwicklungen und unter Einbezug unterschiedlicher Theorieangebote die Grundzüge der bevorstehenden Weltordnung. Dabei erwartet er eine multipolare Ordnung mit fünf wesentlichen Weltmächten (USA, Russland, China, Indien, EU), die in unterschiedlichen Konstellationen zueinander stehen und wechselnde Allianzen eingehen können. In dieser Pentarchie gebe es keinen durchsetzungsstarken Hüter „westlicher Werte“, vielmehr lässt Münkler erkennen, dass geopolitische Verhältnisse zukünftig stärker von bilateralen Regularien als von abstrakten Werten geleitet sein dürften. Bestandteil von Münkler umfassendem Werk sind auch Überlegungen zur Rolle der Europäischen Union und Deutschlands sowie zu möglichen Positionierungen in geopolitischen Auseinandersetzungen. Solcherart bietet „Welt in Aufruhr“  vieles, was in anderen zeitdiagnostischen Publikationen zur dynamischen Weltordnung mitunter diffus bleibt: Konkrete Erwartungen, komparative historische Analysen und mögliche Handlungsoptionen im geopolitischen Umbruch.