Warum die Welt keinen Frieden findet
- Buch
- Masala, Carlo
- Brandstätter, 2024. - 120 Seiten
Spätestens der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 und die seitdem andauernden Kriegshandlungen hätten schmerzhaft in Erinnerung gerufen, dass Krieg auch auf dem europäischen Kontinent kein Relikt der Vergangenheit sei, sondern wiederkehrende Realität. Damit widerspricht der Politikwissenschaftler Carlo Masala jenen Erzählungen, die eine Zeitenwende heraufbeschwören, die sich an der Rückkehr des politischen Instruments „Krieg“ festmachen ließe: „Doch das ist kein neues Phänomen, wir wollten es nur nie sehen. In anderen Teilen der Welt war Krieg als Instrument der zwischen- und innerstaatlichen Auseinandersetzung nie abwesend.“ Masalas kompakter Essay beschäftigt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Relevanz mit zwei forschungsleitenden Fragen, die sich für die Entstehungsgründe von Kriegen sowie den Zwecken und Motivationslagen interessieren. Hierfür erfolgt zunächst eine knappe Begriffsdiskussion, wobei der Sicherheitsexperte formale völkerrechtliche sowie quantitative Definitionen nicht für geeignet hält. Diese würden den komplexen Entwicklungen nicht mehr gerecht, auch die Formen der Kriegsführung hätten sich massiv weiterentwickelt und formale Kriegserklärungen habe es nach 1945 nicht mehr gegeben. Er plädiert daher für eine Minimaldefinition, welche andauernde, koordinierte Gewalthandlungen zwischen politischen Akteuren in den Vordergrund rückt. Anschließend setzt sich Masala mit unterschiedlichen Erklärungen für Kriege auseinander, die er im Wesentlichen auf drei Ebenen untersucht: Während er die Erklärungsversuche auf Ebene des individuellen Menschen, sowie auf Ebene der politischen und sozialen Systeme (also zB der Frage nach Kriegswahrscheinlichkeit von Demokratien vs. Autokratien) als unzureichend einschätzt, findet er vor allem im Bereich des internationalen Systems Gründe: Insbesondere das Fehlen von Sicherheitsgaranten bzw. Instanzen, welche die Einhaltung völkerrechtlicher Regelungen überwachen und allenfalls Verletzungen sanktionieren, sorge dafür, dass Krieg von politischen Akteuren stets als reelle Möglichkeit in Betracht gezogen werden müsse. Im darauffolgenden Kapitel setzt sich Masala mit vier unterschiedlichen Strategien auseinander, welche Kriege zwar nie zur Gänze verhindern, jedoch deren Wahrscheinlichkeit minimieren könnten. Diese betreffen etwa militärische Gleichgewichte, (ökonomische) Interdependenzen, die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen sowie die (völkerrechtliche) Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Im abschließenden Resümee unter dem Titel „Welcome to the jungle“ plädiert Masala dafür, Kriege nicht auszublenden, sondern sie als „Teil einer Normalität [zu] begreifen, die uns auch im 21. Jahrhundert weiterhin begleiten wird.“ Kriege stellten demnach ein historisches Kontinuum dar, das periodisch auftrete und auch zukünftig werde. Gleichzeitig gelte jedoch auch, dass Krieg keineswegs die dominante Form der Konfliktbewältigung sei und Phasen des Friedens weitaus länger seien – Kriege würden sich allerdings ins kollektive Gedächtnis stärker einschreiben. Mit dem Zitat „Si vis pacem, para bellum“ („Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“) beendet Masala seinen Essay – das man nach der Lektüre vielleicht lieber abwandeln möchte: „Wenn du den Frieden willst, verstehe den Krieg.“ Hierfür liefert „Warum die Welt keinen Frieden findet“ die Grundlagen, indem es wesentliche Zusammenhänge übersichtlich aufbereitet und Wahrscheinlichkeiten als solche benennt.