Unter der selben Sonne

- Buch
- Kusanika, Nadège
- Aufbau, 2025. - 207 Seiten
Das Geschichtenerzählen war schon immer Nadèges Lieblingsbeschäftigung. Mit einem Stock malte sie als Kind Bilder in den festgetretenen Erdboden irgendwo außerhalb des Stadtzentrums Kinshasas. Alle Nachbarskinder versammelten sich im Schatten eines großen Baumes und ließen sich von ihren Erzählungen in andere Welten tragen. Deutschland und die Demokratische Republik Kongo sind auch sehr andere Welten, zwischen denen wir im Laufe des Buches hin- und hergetragen werden.
Der Roman ist 2025 im Aufbau Verlag erschienen und lehnt sich stark am Leben der Autorin an. Es ist eine Sammlung von Geschichten und Alltagserlebnissen und verbindet Handlung mit viel innerem Monolog. Nadège wurde in Kinshasa geboren und kam mit 15 Jahren zu ihrem Vater nach Deutschland. Seitdem bewegen sie Erinnerungen an ihre Kindheit, Momente die sie sich fremd fühlen lassen, und taktlose und rassistische Kommentare von Fremden. Im Kern stehen die Fragen, was die Identität der Protagonistin ausmacht und was ihre Geschichte für Spuren bei sich und anderen hinterlassen hat. Wenn sie zum Beispiel an der Supermarktkasse steht und sich insgeheim wünscht jemand würde „zweite Kasse“ rufen, weil sie habe ja schließlich nicht ewig Zeit, fühlt sie sich besonders Deutsch.
In die Schilderungen lässt sie immer wieder Begriffe und Sprüche aus Lingala, einer der kongolesischen Nationalsprachen einfließen. Lisolo heißt „Geschichte“, oder auch Nadèges Lieblingsspiel aus ihrer Kindheit, eben den Nachbarskindern vorzutragen. Oder kondenda, eine bestimmte Art, wie Kongolesinnen gehen – langsam und geschmeidig. So ganz anders, als es Nadège tat, als sie nach zehn Jahren das erste Mal wieder aus Deutschland zurückkehrte.
Kusanika verliert sich nicht in blumigen Beschreibungen, sondern erzählt ihre Erlebnisse auf sachlich-direkte und auch humorvolle Art, was eine gewisse Klarheit in die reichlich emotionalen Geschichten bringt.