Stimmen des Antikolonialismus
Eine globalhistorische Spurensammlung 1615-1915

- Buch
- Johannes Knierzinger et al. (Hrsg.)
- Mandelbaum, 2025. - 490 Seiten
Seit zumindest drei Jahrzehnten wird die Rolle Europas und des „Westens“ in der globalen Ideengeschichtsschreibung zunehmend kritisch hinterfragt. Besonders nicht-„westliche“ Wissenschaftler_innen definieren und bewerten globale Ideengeschichte jenseits eurozentrischer Erzählungen neu, so akzentuieren sie etwa die Parallelität globaler Zentren neben Europa oder streichen den Beitrag außereuropäischer Stimmen zur Aufklärung hervor. Der vorliegende Sammelband „Stimmen des Antikolonialismus“, erschienen in der GEP-Reihe (Geschichte – Entwicklung – Politik), leistet hierzu einen wichtigen und vielschichtigen Beitrag. Die Herausgeber_innen versammeln antikoloniale Primärtexte intellektueller Persönlichkeiten aus den Peripherien, die von Historiker_innen und Kulturwissenschaftler_innen jeweils kommentiert und kontextualisiert werden. Die Primärtexte sind vom frühen 17. Jahrhundert bis zum Beginn des 1. Weltkriegs datiert, wobei die Textauswahl mit einer Mehrzahl an Texten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eindeutig widerspiegle, dass diese Periode „nicht nur von imperialistischer Konkurrenz geprägt war, sondern auch umfassende (geopolitische) Gegenbewegungen auf den Plan rief.“ Darüber hinaus verdeutliche das gescheiterte Bemühen um weibliche Quellen (die diskutierten Primärtexte stammen allesamt von Männern) sowohl zeitgenössische Geschlechterverhältnisse als auch insgesamt gesellschaftlich höchst ungleiche Hierarchien. Indem die Herausgeber_innen einem transimperialen Verständnis von Kolonialismus folgen, erweitern sie den Blick über überseeische Expansion europäischer Länder hinaus und ermöglichen auch die Beschäftigung mit „kolonialismusanalogen Prozessen in Europa selbst“. Dadurch möchten die Herausgeber_innen auch zu einem „anti-essenzialistischen Zugang zur Globalgeschichte beitragen, indem wir einer Idealisierung präkolonialer und präkapitalistischer Verhältnisse (…) entgegenarbeiten und die hier versammelten Texte als Produkte einer »verwobenen Moderne« (…) betrachten.“ Deutlich werden in den Primärtexten (etwa von Felipe Guamán Poma de Ayala, Gopal Krishna Gokhale, Sun Yat-sen oder W.E.B. Du Bois) unterschiedliche Bezugspunkte antikolonialer Diskurse, narrative Strategien und konkrete Intentionen. So entsteht ein facettenreiches Bild antikolonialer Positionen und ihrer historischen wie theoretischen Einordnung. Mit dem Band legt der Mandelbaum-Verlag einen sorgfältig edierten, anspruchsvollen und wertvollen Beitrag zu einer antikolonialen globalen Ideengeschichte vor.