Im Mundexil
Gedichte von jenseits der Grenze

- Buch
- Nyanzi, Stella
- Wunderhorn, 2025. - 186 Seiten
„Mein Mund ist eine Startbahn ins Exil“, heißt es in einem Gedicht des vorliegenden Lyrikbandes von Stella Nyanzi. Die ugandische Schriftstellerin arbeitet wissenschaftlich und aktivistisch zu Gender und Sexualität, setzt sich für LGBTQ+-Rechte ein und knüpft in ihrem Protest an die Tradition der „Radical Rudeness“ an, einer ugandischen Widerstandsform antikolonialen Ursprungs. Zweimal wurde sie in ihrem Heimatland wegen des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung verhaftet, Misshandlungen im Hochsicherheitsgefängnis führten zu einer Fehlgeburt. 2021 gelang die Flucht mit ihren drei Kindern ins Nachbarland Kenia, 2022 bis Anfang 2025 lebte sie als Stipendiatin des „Writers in Exile“-Programms des PEN Deutschland, derzeit ist sie als Gastwissenschaftlerin an der Ruhr-Universität Bochum tätig und meldet sich etwa über ihre reichweitenstarke Social Media-Präsenz auch weiterhin zu ugandischen Entwicklungen zu Wort.
„Im Mundexil“ versammelt 100 biografisch geprägte Gedichte, die ebenso poetisch wie hochpolitisch sind. Sie verhandeln queeres Leben in Ostafrika und Dissidenz in einem autoritär wie homophob geführten Land, geben Kindersoldat_innen eine Stimme, erzählen von Erfahrungen des „White saviourism“ und Racial Profiling, arbeiten sich kämpferisch an der nicht freiwilligen Entscheidung zum Exil ab. Konsequent („Meine Feder weigert sich, nett zu ihnen zu sein“) verweigert sich Stella Nyanzi tradierten Erwartungen der Autoritätshörigkeit und beißt aus Überzeugung auch in die ernährende Hand: So verarbeiten mehrere Gedichte die 2022 öffentlich ausgetragenen Kontroverse innerhalb des deutschen PEN-Clubs um seinen damaligen Präsidenten Deniz Yücel (eigentlich ein Disput um Meinungsfreiheit und die Frage zulässiger politischer Positionierungen) und beziehen dabei deutlich Stellung gegen die Vereinigung: „Wer hat meinen Genossen, den einsamen Wolf / An die Spitze des vereinheitlichten Denkens gewählt?“
Stella Nyanzis Poetik lebt dabei von einer starken Mündlichkeit und stellt den Sprechakt wiederholt ins Zentrum ihrer Gedichte, davon zeugen auch die bereits veröffentlichten Bände „No roses from my mouth: poems from prison“ und „Don’t come in my mouth: poems that rattled Uganda“. Zahlreiche Anaphern verleihen der Lyrik Rhythmus, durch konkrete Ansprache und unverblümtes Vokabular lässt die Schriftstellerin keinen Raum für freundliche Vereinnahmung: Hier schreibt Stella Nyanzi in ihrem Exil, ungebrochen, stolz und ohne Lust auf konformen Gehorsam. Und in freudiger Erwartung, ein neues Uganda zu begleiten: „Die Haubenkranichhenne reckt ihren Hals. (…) / Die Haubenkranichhenne sieht den Beginn des kommenden Endes. (…) / Die Haubenkranichhenne fliegt voll Hoffnung zu einer Wasserstelle.“