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Geschichte der Menschenrechte


Cover des Buches
  • Buch
  • Kannowski, Bernd
  • UTB, 2025. - 476 Seiten

Gibt es eine „Geschichte der Menschenrechte“ als solche überhaupt? Und wenn ja – welchem Verständnis von Menschenrechten folgt man dann? Der Rechtshistoriker Bernd Kannowski erkennt in den Menschenrechten keine lineare Fortschrittsgeschichte, obwohl deren Erfolgszug unbestritten sei. Stattdessen schreibt er in der vorliegenden Lehrbuch-Darstellung vor allem eine „Geschichte der Ideen“, wodurch unterschiedliche Entwicklungen auf geistesgeschichtlich-philosophischer, aber auch politischer Ebene, gegenläufige Tendenzen und Widersprüche sichtbar werden. Wenn freilich inhaltlicher Konsens über die Idee der Menschenrechte oder wenigstens breite und historisch nachhaltige Übereinstimmungen kaum bestünden, so stelle sich die Frage nach einem tragfähigen Arbeitsbegriff umso mehr, wiederholt Kannowski die Schwierigkeit terminologischer Ansätze und formuliert folgende Definition: „Menschenrechte sind (1) zentrale, (2) allen Menschen allein aufgrund ihres Menschseins zustehende Rechte, die weder verdient werden müssen noch verloren gehen können. Die Überzeugung, dass das so ist, beruht (3) auf einer bestimmten Auffassung vom Stellenwert des Menschen, die zu einem zwingenden Schluss in Bezug auf die Rechts- und Gesellschaftsordnung führt.“ Anschließend setzt sich der Verfasser mit „Stolperfallen“ auseinander, die bei der kritischen Beschäftigung mit Menschenrechtsgeschichte notwendigerweise auftreten können und in der inhaltlichen Argumentation bedacht werden müssen. So dürfe etwa der geografische Ausgangspunkt Europa nicht dafür sorgen, dass die Idee der universalen Menschenrechte als rein westliche Konzeption missverstanden werde oder aber Positionen aus dem Globalen Süden vernachlässige. Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen und begrifflichen Bestimmungen widmet sich Kannowski dem eigentlichen Forschungsgegenstand, den er in elf kompakten Kapiteln aufreißt. Hierbei spannt er – beginnend mit ersten Spuren der Menschenrechtsidee in der Antike – einen Bogen über mehr als zweieinhalb Jahrtausende, entlang dessen er sowohl auf konkrete historische Dynamiken und zentrale Ereignisse bzw. Dokumente eingeht, als auch umfassendere Entwicklungen für den Kontext der Menschenrechtsgeschichte fruchtbar macht. So setzt er sich etwa mit philosophischen Standpunkten zum „Naturrecht“ auseinander, diskutiert Herrschaftsverträge als widersprüchliche Wegbereiter der Freiheitsrechte oder stellt sich der Frage, ob Bartolomé de las Casas Einsatz für die Rechte der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas eine Idee von Menschenrechten zugrunde lag. In Bezug auf die Moderne skizziert Kannowski die drei gebräuchlichen „Generationen“ von Menschenrechten, analysiert die Bedeutung der Sozialismen des 20. Jahrhunderts für Theorie und Praxis der Menschenrechte, befasst sich mit Kodifizierung und Internationalisierung des Menschenrechtsregimes der Vereinten Nationen oder mit dem Menschenrechtsverständnis christlicher Kirchen und des Islam. Gruppen- bzw. Kollektivrechte der dritten Generation, wie sie insbesondere im Globalen Süden in Kontrast zu bürgerlich-freiheitlichen Menschenrechtskonzeptionen entstanden und entstehen, thematisiert Kannowski anhand der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (1981, auch „Banjul-Charta“ genannt) und diskutiert dabei Spannungsverhältnisse zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als auch zum eigenen Arbeitsbegriff sowie vielfach geäußerte Bedenken bzgl. der Durchsetzbarkeit und Rechtsverbindlichkeit von Kollektivrechten. Die Geschichte der Menschenrechte sei freilich nicht abgeschlossen und „Rechtstexte können sich verselbstständigen und unabhängig von ihren historischen Entstehungsbedingungen wirken.“ Deutlich macht „Geschichte der Menschenrechte“ insgesamt, dass überzeitliche Inhalte der Idee kaum zu finden seien, die Entwicklung der Menschenrechte hingegen stark von gesellschaftlichen Veränderungen, theoretischen Annäherungen sowie politischen Handlungen gezeichnet und alles andere als statisch oder abgeschlossen sei.