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Erinnern in Zukunft


Aufrufe für plurales Erinnern

Cover des Buches
  • Buch
  • Michael Podgorac; Anne Wiederhold-Daryanavard (Hrsg.)
  • Mandelbaum, 2025. - 200 Seiten

Ein ehemaliger Luftschutzbunker unter dem Wiener Yppenplatz ist Ausgangspunkt des vorliegenden Sammelbandes bzw. der dahinterstehenden zivilgesellschaftlichen Initiative. Dabei adressiert der Titel „Erinnern in Zukunft“ implizit bereits Defizite gegenwärtiger Erinnerungskultur als auch Herausforderungen, denen sich diese stellen muss. Das Kollektiv plädiert für eine plurale Erinnerungskultur, die veränderte gesellschaftliche Realitäten reflektiert, multiperspektivisch arbeitet und die eigenen Verstrickungen in Machtverhältnisse verhandelt: „Erinnern ist kein neutraler Akt, sondern zutiefst mit Machtstrukturen verknüpft.“ Während innerfamiliär plurales, mehrsprachiges und transnationales Erinnern bereits vielfach gelebte Praxis sei, merke man öffentlichen Diskursen und gerade den von offizieller Seite verantworteten Akten ihre Schwierigkeit mit diesen veränderten Gegebenheiten deutlich an: „Auf der gesellschaftlichen Ebene bedeutet das, dass öffentliche Erinnerungsriten als Auseinandersetzung mit der nationalen Vergangenheit zunehmend unvollständig sind. Die plurale Bevölkerung trägt schon lange viel mehr Geschichte(n) in sich, als die des Landes, in dem sie lebt. Erinnerungen, die breite Teile der Gesellschaft betreffen, haben einen prägenden Einfluss auf unsere politische und kulturelle Gegenwart.“

Der vorliegende Band versammelt solche Perspektiven in unterschiedlichen Formaten, neben Textbeiträgen etwa auch Linolschnitte mit „Aufrufen“, Comics oder Fotografien. Dabei erhält der Begriff der pluralen Erinnerungskultur konkrete Konturierung etwa durch Beiträge, die sich mit „vergessenen Kriegen“ im Sudan, Srebrenica oder der marginalisierten Geschichte der Rom*nja auseinandersetzen. Andere wiederum vergleichen exemplarisch die gegensätzliche Erinnerungspolitik in der kamerunischen und österreichischen Schulbildung miteinander, bringen mit asiatischer Pflegemigration nach Europa einen wenig beachteten Aspekt der jüngeren Geschichte in den Diskurs ein oder verhandeln die ambivalente Bedeutung von Denkmälern. Deutlich und anschaulich machen die verantwortlichen Personen mit ihren Beiträgen dabei die Prozesshaftigkeit von Erinnerungsarbeit, als auch die Bandbreite möglicher Interventionen, die unser Erinnern in die Zukunft tragen können.