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Dynamiken des Scheiterns


Akteure, Netzwerke und Transferprozesse der bundesdeutschen Polizeihilfe für Guatemala (1986-1991)

  • Buch
  • Bennewitz, Fabian
  • Böhlau, 2024. - 384 Seiten

Im Zuge der allmählichen Demokratisierung Guatemalas, das nach wie vor vom Bürgerkrieg gezeichnet war, begann die Bundesrepublik Deutschland 1986 mit einer Polizeihilfemission in Kooperation mit der guatemaltekischen Regierung. Neben der Ausrüstung mit modernen technischen Geräten umfasste das Projekt auch Beratungsleistungen, die Schulung von Führungspersonal sowie die Ausbildung von Polizist_innen durch bundesdeutsche Expert_innen. Angesichts der angesetzten Laufzeit von fünf Jahren und der hohen Investitionssumme bezeichnet Fabian Bennewitz diese Sicherheitskooperation als „Leuchtturmprojekt bundesdeutscher Entwicklungspolitik“, das freilich nicht zum Selbstzweck betrieben wurde: Während des Kalten Krieges und auch in den 1990er-Jahren erfreute sich die sogenannte „Polizeiliche Entwicklungshilfe“ großer Beliebtheit. Gerade in Zentralamerika, das von Ronald Reagan als „letztes Schlachtfeld des Kalten Krieges“ bezeichnet wurde, sahen christdemokratische Netzwerke dabei die Gelegenheit, ihre Einflusssphäre zu stabilisieren und State Building zu betreiben. Die euphorischen Erwartungen zu Beginn des Projekts sollten sich nicht erfüllen, etwas mehr als vier Jahre später brach die deutsche Bundesregierung die Kooperation aufgrund anhaltender Menschenrechtsverletzungen und Gewalt durch den guatemaltekischen Staatsapparat mit sofortiger Wirkung ab. Der Historiker Fabian Bennewitz beschäftigt sich in der vorliegenden Dissertation mit den Dynamiken, die das Scheitern der Polizeihilfemission erklären können. Dabei plädiert er dafür, gegenständliche Kooperationen nicht als rein bilaterale Beziehungen zu denken, sondern netzwerkartige Konstellationen zu berücksichtigen, die unterschiedliche (auch fachfremde) Akteur_innen und Widersprüche innerhalb Institutionen miteinbeziehen. Auf Basis extensiver Archivrecherchen rekonstruiert Bennewitz, wie unterschiedliche Netzwerke an der Genese und Durchführung des Projekts beteiligt waren, welche Akteur_innen Einfluss auf die Kooperation ausübten und wie die Transferprozesse abliefen – also wie die beteiligten Akteur_innen „Wissen, Techniken, Praktiken, Ideen und Diskurse übernahmen, modifizierten, zurückwiesen oder sogar neue Prozesse mit Rückwirkungen auf andere lateinamerikanische Länder und die Bundesrepublik in Gang setzten.“ Dabei gelten viele der gewonnen Erkenntnisse stellvertretend auch für andere Aushandlungsprozesse und Dynamiken in anderen Beispielen transnationaler Kooperationen, so sind fehlendes Geschichtsbewusstsein oder divergierende Vorstellungen zentraler Konzepte auch bei ähnlichen Polizeihilfemissionen für deren Scheitern mitverantwortlich. Insgesamt vermag „Dynamiken des Scheiterns“ somit den angestrebten „grundlegenden Beitrag zum Verständnis von entwicklungspolitischen Projekten mit all ihren Machtungleichgewichten, kontingenten Dynamiken und Missverständnissen auf dem besonders heiklen Feld des Sicherheitssektors“ zu leisten und mit einem Akteurs-Netzwerk-Ansatz komplexe Konstellationen und Prozesse zu veranschaulichen, die der Realität weitaus gerechter werden als simple „Sender/Empfänger“ bzw. „donor/recipient“ Dichotomien.