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Die Kaiserin von Galapagos


Deutsche Abenteuer in Lateinamerika

Cover des Buches
  • Buch
  • Strausfeld, Michi
  • Berenberg, 2025. - 180 Seiten

Seit Jahrhunderten gab es intensive – und zumeist höchst ungleiche – Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Lateinamerika, kritische Rohstoffvorkommen als auch Fachkräfte sind in Europa heiß begehrt. Doch wüsste man im deutschsprachigen Raum erstaunlich wenig über die lateinamerikanischen Länder, gemeinsame Berührungspunkte und kulturelle Transfers, umreißt Michi Strausfeld ein ihr schwer erklärliches Defizit. Dieser Umstand korreliere auch nicht mit der Wahrnehmung deutscher Abenteuer in Lateinamerika selbst: „Wendet man den Blick und fragt, in welcher Weise die deutsche Präsenz in Lateinamerika wahrgenommen wurde, so ergibt sich ein erstaunliches Bild: Unzählige deutsche Forscher (Archäologen, Ethnologen, Natur- oder Sprachwissenschaftler), die bei uns unbekannt oder nur Spezialisten vertraut sind, genießen auf dem südamerikanischen Kontinent hohes Ansehen. In Asunción, Buenos Aires, Santiago de Chile oder Peru tragen Museen ihre Namen. In Deutschland aber wissen wir über ihr Wirken kaum etwas.
Strausfeld, beruflich durch unterschiedliche Funktionen im Literaturbetrieb mit lateinamerikanischer Kultur bestens vertraut, adressiert diese Lücke mit einem kompakten Band. In „Die Kaiserin von Galapagos sucht sie nach Spuren deutschsprachiger Personen bzw. ihrer Handlungen in Lateinamerika und spannt dadurch ein kulturhistorisches Panorama auf. Grob nach Jahrhunderten geordnet und ebenso fakten- wie anekdotenreich erzählt sie von frühen Berührungspunkten (etwa über die spanische Habsburger-Linie, die Augsburger Kaufmannsfamilien der Fugger und Welser oder Priester und Missionare) und ersten Forschungsreisen. Ab dem 19. Jahrhundert mit der Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten von ihren europäischen Kolonialmächten Spanien und Portugal begann die Hochkonjunktur der Expeditionsreisen, fiel doch die restriktive Hürde der Einreisegenehmigungen weg. Im 20. Jahrhundert erfolgten schließlich zahlreiche Emigrationsbewegungen in Richtung des Wohlstand oder Schutz vor politischer Verfolgung verheißenden „Cono Sur“, was nicht nur die lateinamerikanischen Gesellschaften stark prägte, sondern durch unterschiedliche Exilerfahrungen auch Rückwirkungen auf Europa hatte und kulturelle Transferleistungen begünstigte.
Strausfeld verflicht dabei eine Vielzahl an Vignetten zu einem unterhaltsamen Tableau mit teils skurrilem Figurenensemble, skizziert historische Zusammenhänge präzise und diskutiert ihre Quellen kritisch. Dabei spart sie auch problematische Aspekte (wie die organisierte Flucht hochrangiger Nazis nach Südamerika, Kolonialität oder rassenanthropologische „Völkerschauen“) nicht aus. Abschließend bedauert die Autorin abermals, dass das deutsche Interesse an Lateinamerika an einem Tiefpunkt sei, kritisiert die unzulängliche Ausstattung der deutschen Außenkulturpolitik und formuliert Perspektiven für Austausch und Kooperation in einer multipolaren Weltordnung: „Neue Kontakte zu knüpfen und neue Brücken zu bauen ist eine schöne Herausforderung. Dazu werden Einzelne weiterhin vieles beitragen. Alleingänge europäischer Staaten haben hingegen keine Chancen mehr im Wettstreit mit China und Russland. Gefragt ist vielmehr ein deutliches EU-Engagement für eine privilegierte und noch immer mögliche, wünschenswerte Partnerschaft. Die »alte« Welt hat der »neuen« Welt viel zu verdanken – es an Dankbarkeit aber immer wieder fehlen lassen.