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Die feministische Außenpolitik des Auswärtigen Amtes


eine kritische Analyse der Leitlinien

Cover des Buches
  • Buch
  • Kratzer, Jakob
  • Tectum Verlag, 2024. - VIII, 107 Seiten

Nachdem die ehemalige schwedische Außenministerin Margot Wallström 2014 ein umfangreiches Konzept zur feministischen Außenpolitik vorgestellt hat, nahmen sich einige Länder ein Beispiel daran und setzen eigene Varianten in Kraft. So wurde in Deutschland 2023 von Annalena Baerbock ein Leitfaden des Auswärtigen Amtes dazu bekannt gemacht. Dieses Dokument sowie die entsprechende Rede Baerbocks hat sich Jakob Kratzer als Datenmaterial für seine qualitative Inhaltsanalyse vorgenommen, um so die Ziele und Motive der feministischen Außenpolitik des Auswärtigen Amtes festzustellen und kritisch einzuordnen. Bei der Analyse beschränkt sich die Arbeit auf die Leitlinien und geht nicht auf ihre realpolitische Umsetzung ein. Außerdem wird klar definiert, dass die feministische Außenpolitik der Institution des Auswärtigen Amtes besprochen wird und davon nicht auf die gesamte Außenpolitik Deutschlands zu schließen sei. Es gelingt ihm eine gut recherchierte sowie umfangreich aber doch präzise Forschungsarbeit. Der Autor bemüht sich, die Komplexität und teilweise Widersprüchlichkeit der verschiedenen Strömungen innerhalb feministischer Theorien sichtbar zu machen, begrenzt sich allerdings auf die für das Forschungsvorhaben relevanten zwei Strömungen. Im Fokus steht einerseits der neoliberale Feminismus und andererseits der Schwarze Feminismus verknüpft mit Kapitalismuskritik. Den Kern des relativ jungen neoliberalen Feminismus bildet die Koppelung feministischer Ideale mit einer kapitalistischen Lebensform. Diese gegenseitige Integration von Feminismus und Neoliberalismus bedeutet auch, dass der Kapitalismus so weit in die Gesellschaft vorgedrungen ist, Gesellschaftsverhältnisse automatisch als ökonomisch gedacht werden und somit jedes feministische Ideal dem Wirtschaftswachstum untergeordnet wird. Jakob Kratzer stellt diesem Konzept Kapitalismuskritik und Schwarzen Feminismus gegenüber. Sie kritisieren, dass der Feminismus innerhalb des Neoliberalismus zu eindimensional gedacht wird und die mehrfache Unterdrückung vieler Menschengruppen, so wie Schwarzen Frauen und Frauen of Color, nicht beachtet werden. Frauen die in das System des kapitalistischen globalen Nordens passen sind weitgehend ein gleichgestellter Teil der Gesellschaft. Vollständige soziale Gerechtigkeit, wie sie in vielen anderen feministischen Strömungen sowie auch dem Schwarzen Feminismus ein anzustrebendes Ideal ist, wird jedoch vernachlässigt, indem andere Gruppen, z.B. Migrant_innen zu „den Anderen“ gemacht werden. Audre Lorde sagte 1979 auf einer feministischen Konferenz: „For the master´s tool will never dismantle the master´s house”. Diesen Satz greift Kratzer sinnbildlich für die Schlüsse auf, die er aus seiner qualitativen Inhaltsanalyse zieht. Die feministische Außenpolitik des Auswärtigen Amtes ist demnach geprägt vom neoliberalen Verständnis von Feminismus. An mehreren Stellen werden die feministischen Vorhaben durch die Aussicht auf daraus resultierendes Wirtschaftswachstum legitimiert. Außerdem wird suggeriert, dass die individuelle Freiheit hauptsächlich durch ökonomische Mittel gewährleistet wird. Daraus schlussfolgert er, dass die feministische Außenpolitik des Auswärtigen Amtes innerhalb existierender Strukturen agiert und demnach nicht über das etablierte System hinauswachsen kann. Sie bedient sich sozusagen der „master´s tools“ und wird patriarchale Ungleicheitsstrukturen nicht niederreißen können.