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Das Inspection Panel der Weltbank


entwicklungspolitische Praktiken zwischen Disruption und Legitimation

Cover des Buches
  • Buch
  • Schäfer, Dustin
  • Transcript, 2024. - 339 Seiten

Mit der Einführung des Inspection Panels 1993 reagierte die Weltbank auf Forderungen von lokalen wie internationalen Protestbewegungen gegen negative Auswirkungen von Entwicklungsprojekten, die von der Weltbankgruppe (mit)finanziert wurden. Insbesondere die Vertreibung lokaler Bevölkerung zugunsten großer Infrastrukturprojekte wie Staudämme stelle dabei eine weitreichende Form dieser „entwicklungspolitischen Gewalt“ dar, verweist Dustin Schäfer auf Schätzungen, wonach etwa 20 Millionen Menschen jährlich – zumeist gegen der Willen – umgesiedelt würden. Seitdem können Gruppen von zwei oder mehr Personen Beschwerden vor dem Inspection Panel vorbringen und Rechenschaft von der Weltbank einfordern. Die Einführung des Inspection Panels stellte dabei den ersten solchen Beschwerdemechanismus innerhalb einer multilateralen Finanzorganisation dar und galt – nicht zuletzt aufgrund von Transparenz- und Demokratiedefiziten sowie der Immunität internationaler Organisationen – als großer Fortschritt. In seiner politikwissenschaftlichen Dissertation interessiert sich Dustin Schäfer knapp 30 Jahre nach der Einführung für den Organisationswandel innerhalb der Weltbankgruppe sowie die Legitimation hegemonialer entwicklungspolitischer Praktiken durch diese Rechenschaftspflicht. Dies geschieht methodologisch u.a. auf Basis von Expert_innen-Interviews und Dokumentenanalysen, sowie einer machtkritischen Kombination postkolonialer und liberaler Ansätze der Organisationssoziologie. Die Beschwerde- und Rechenschaftsmechanismen werden dabei als Möglichkeit gefasst, in entwicklungspolitische Diskurse und Praktiken einzugreifen, entsprechend sind sie auch Gegenstand von Aushandlungsprozessen und Deutungskämpfen. Schäfers Erkenntnisse sind dabei höchst differenziert und können potenziellen Beschwerdeführer_innen eine Entscheidungsgrundlage bieten, ob sie diesen Rechtsweg nutzen möchten. Neben zahlreichen Defiziten (etwa fehlender Präventionswirkung), kontraproduktiven Auswirkungen und Machtasymmetrien sei doch auch ein gewisses emanzipatives Potenzial feststellbar. Die Beschwerde beim Inspection Panel könne somit „als wichtiges Puzzlestück für Widerstandspraktiken“ fungieren, stelle jedoch nur „ein Werkzeug von vielen“ dar und bedürfe einer vorherigen Abwägung von Nutzen und Risiken.