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Arzt, Rebell, Vordenker


Die vielen Leben des Frantz Fanon

Cover des Buches
  • Buch
  • Shatz, Adam
  • Propyläen, 2025. - 630 Seiten

Zum 100. Geburtstag von Frantz Fanon (1925–1961) liegt nun die deutsche Übersetzung der von Adam Shatz 2024 vorgelegten Biografie über den „Mann der vielen Leben“ vor. Bis heute prägt Fanon antikoloniale und antirassistische Theorie. Als Protagonist der algerischen Nationalen Befreiungsfront (FLN) und mit seinen breit rezipierten Werken „Schwarze Haut, weiße Masken“ (1952) und „Die Verdammten dieser Erde (1961) gilt er als Vordenker und intellektuelle Symbolfigur in Wissenschaft und Forschung sowie in emanzipatorischen und postkolonialen Bewegungen.  
Adam Shatz verwirklicht dabei die formulierte Ambition, Fanon nicht bloß in Teilaspekten zu zeigen oder eine Exegese seiner Texte und bestimmtem Vorzeichen zu betreiben. In einer umfassenden Biografie bringt der Autor den Leser_innen Fanons Arbeiten aus Theorie, Politik, Kultur und Psychiatrie näher. Er verknüpft die Person mit dem Werk und beleuchtet die Zusammenhänge und Widersprüche in Fanons Denken und Wirken. Den „stetig Suchenden und Fragenden“ porträtiert er differenziert und kritisch. So gelingt es Shatz, die revolutionäre Aura und die Haltung des Ungehorsams einzufangen: „Selbst, als Fanon zum militanten Berufskämpfer wurde und eine Führungsrolle übernahm, selbst als er seine Vision zur Befreiung der sogenannten Dritten Welt fieberhafter denn je verfolgte, zeugten seine Schriften nach wie vor vom Zorn und der Leidenschaft eines jungen Mannes, der nach seinem rechtmäßigen Platz in einer Welt suchte, die danach eingerichtet war, ihm diesen zu verwehren. Dies ist der Geist Fanons, die Kompromisslosigkeit in der Körnung seiner Stimme.“
Trotz ihres intellektuellen Anspruchs bleibt die Biografie verständlich und spannend. Fanons Denken und Wirken ist angesichts globaler Kämpfe gegen Ungleichheit und Gewalt hochaktuell, seine Überlegungen finden Widerhall in heutigen Debatten zur „Dekolonisation des Denkens“, Entfremdung, Körperlichkeit und Identität, antirassistischen Kämpfen oder der Legitimität von Gewalt. Eine Lektüre dieser Biografie lohnt sich somit nicht zuletzt deswegen für Kenner_innen wie für Neueinsteiger_innen gleichermaßen.