Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste

- Buch
- Christoph Gille u.a. (Hrsg.)
- Nomos, 2024. - 932 Seiten
In Deutschland habe sich in den letzten zwei Jahrzehnten sukzessive eine konturierte Forschungslandschaft zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten etabliert, ebenso seien diese Themen im öffentlichen Diskurs präsenter geworden, resümieren die Herausgeber_innen. Diesen Umstand kann man u.a. an der Gründung der wissenschaftlichen Zeitschrift „Voluntaris“ festmachen, in deren Umfeld das vorliegende Handbuch entstand. Gesellschaftliche Entwicklungen und Zivilgesellschaftliches Engagement stehen dabei in wechselseitigen Beziehungen und wirken aufeinander, zentrale Entwicklungen der letzten Jahrzehnte betreffen etwa die Institutionalisierung von Engagementstrukturen, Phänomene der Digitalisierung oder neue Konfliktlinien rund um Postmigrationsgesellschaft oder sozial-ökologische Transformation. An der Vielzahl unterschiedlicher Debatten, Akteur_innen oder Formate zeige sich, „dass sich in Praxis und Konzeptualisierung von zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten gesellschaftliche Diskurse niederschlagen. Die auch umstrittenen Verständnisse offenzulegen und Orientierung über Diskurse, wissenschaftliche Zugänge und wichtige Erkenntnisse zu geben, ist das zentrale Anliegen des Handbuchs.“
Dieses löst das Handbuch strukturiert ein, die insgesamt 87 Beiträge sind in acht Abschnitte gegliedert. Zunächst befasst sich „Diskurse“ mit grundlegenden Begrifflichkeiten und Konzepten, diskutiert etwa die Multidimensionalität von „Zivilgesellschaft“, befasst sich mit deren Politisierung im Rahmen von sozialen Bewegungen oder nimmt dekoloniale Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand ein. Anschließend werden in zwei kompakten Kapiteln historische Entwicklungslinien zivilgesellschaftlichen Engagements und der Freiwilligendienste nachgezeichnet, um deren gegenwärtige Verfasstheit zu verstehen. Praxisnahe wird es in den folgenden Abschnitten: Zunächst werden unterschiedliche Organisationsmodelle und Formierungen (etwa Freiwilligendienste im In- oder Ausland, Incoming-Dienste, Corporate Volunteering oder Protest), anschließend folgen Beiträge zu Engagement in konkreten Settings oder von bestimmten Akteursgruppen (etwa globales Engagement, ländliche Räume, Klimaschutz, Arbeit mit bestimmen Generationen oder im Bereich Flucht & Migration), wobei Spezifika ebenso herausgearbeitet wie Bezüge zu anderen Feldern hergestellt werden. Globales Lernen und Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), Begleitung in Freiwilligendiensten oder Politische Bildung stehen in einem Abschnitt zu Bildungsaspekten auf dem Programm. Strukturelle Rahmenbedingungen und Förderungsmaßnahmen werden anschließend auf unterschiedlichen (föderalen) Ebenen als auch in globalen Zusammenhängen untersucht, hier sind etwa rechtliche Rahmenbedingungen in Inlandsfreiwilligendiensten, Good Governance oder Limitationen der europäischen Engagementpolitik Thema. Über die grundsätzliche bundesdeutsche Verortung hinaus berücksichtigt das Handbuch stets auch globale Aspekte des Untersuchungsgegenstands, explizit werden internationale Perspektiven im siebten Abschnitt eingeholt. Die hier versammelten Beiträge sind entweder bestimmten nationalen Kontexten gewidmet oder aber transnational orientiert. Ambivalent wird hier Österreichs hohes, gleichzeitig prekären Bedingungen unterworfenes zivilgesellschaftliches Engagement eingeschätzt oder die Rolle von freiwilligem Engagement im Leben junger Geflüchteter in Uganda diskutiert. Der letzte Abschnitt schließt den Kreis und kehrt gewissermaßen zum Ausgangspunkt der Einleitung zurück: Unterschiedliche methodische Zugänge, Methodologien und Forschungsansätze illustrieren die Bandbreite und den Pluralismus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten. Diese umfassende Zusammenstellung mit diversen Perspektivierungen sowie die strukturierte Aufmachung machen „Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste“ zu einem Referenzwerk, das nicht nur die Forschung bereichert, sondern auch in der Praxis tätigen Akteur_innen Hilfestellungen und Reflexionsimpulse anbieten kann.