Tunesien / Schwangerschaftsabbruch / Reproduktive Rechte / Reproduktive Gesundheit / Gesundheit
Nach der Befreiung vom Kolonialismus wurden Abtreibung und Verhütung in Tunesien legal und kostenfrei. Dabei ging es aber nicht etwa um Selbstbestimmung, sondern um Maßnahmen gegen Überbevölkerung und Armut. Dennoch wurde Familienplanung Teil des Alltags der Tunesier_innen. „Was hat sich daran seit der Revolution 2011 geändert?“ fragt Irene Maffi in ihrem spannenden Buch, das auf einer mehrjährigen Feldstudie beruht. Bereits vor der Revolution hatten sich konservative und islamistische Vorstellungen immer stärker verbreitet. Es kam zu Diskriminierungen in den staatlichen Kliniken für Familienplanung und zum erschwerten Zugang zur medikamentösen Abtreibung. Als nach der Revolution die islamistische Ennahda-Partei in der verfassunggebenden Versammlung die Mehrheit erreichte, wurden diese Restriktionen einerseits legitimiert, andererseits kam es aber auch zu massiven (nicht nur) feministischen Protesten. Mit den ersten freien Parlamentswahlen 2014 wurde der begonnene Rechtsruck dann zwar gestoppt, allerdings wirkten sich nun wirtschaftspolitische Probleme auf die öffentlichen Kliniken für Familienplanung aus: Einige mussten bereits schließen, andere können sich keine Abtreibungsmedikamente mehr leisten. Diese jüngste Entwicklung beobachtet Maffi mit genauem Blick auf Regierungspolitik und religiöse Diskurse – immer die betroffenen und handelnden Frauen* im Fokus.