Naturschutzrecht ; Beispielsammlung
Die Klimakrise hat längst Fahrt aufgenommen und gibt mit verschmutzten Meeren, Dürre- wie Flutereignissen und Artensterben einen Ausblick auf die weitere Dynamik. Nicht zuletzt in Reaktion darauf haben sich teils umfassende Umweltrechtsregime herausgebildet, deren Regularien jedoch oftmals zahnlos bleiben und den Schutz der Natur nicht sicherzustellen vermögen. Das liegt zentral an der anthropozentrischen Konzeption des Rechts: Träger_innen von Rechten können hier nur (natürliche oder juristische) Personen sein, deren Freiheit vorrangig durch die Freiheit anderer Personen begrenzt wird: „Zwar bestehen heute in Deutschland und Europa in Gesetzen, Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften komplexe und detailreiche umweltrechtliche Vorgaben – jedoch keine justitiablen Eigenrechte der Natur. Solange Umweltschutzbelange aber allein aus der Sicht menschlicher (Ressourcen-)Interessen gesehen werden, fehlen Verantwortlichen in Exekutive, Legislative und Judikative bei ihren Entscheidungsprozessen wesentliche Bezugspunkte. Eine valide Güterabwägung zwischen Menschen- und Naturrechten kann so lange nicht vorgenommen werden, wie nach unserem herrschenden Rechtsverständnis der Natur ihres Eigenwerts willen keine eigenen Rechte zuerkannt werden.“
Alternative Rechtsentwürfe und Gegenentwicklungen zeigt der folgende Band in einer Reise durch sechs Kontinente. Schnell wird dabei deutlich, dass der Titel „Die Natur klagt an“ nicht ganz korrekt ist – braucht es im Rechtssystem doch menschliche Personen, welche die Rechte der Natur einfordern, einklagen bzw. treuhändisch wahrnehmen. Wie unterschiedlich diese Akteur_innen, ihre Herangehensweise und die genutzten rechtlichen Spielräume sind, zeigen die gewählten Beispiele. Pro Kontinent wählen die beiden niederländischen Verfasserinnen ein bis zwei Initiativen und geben eine gut strukturierte Überblicksdarstellung von Hintergrund, weltanschaulichen Grundlagen, Argumentationslinien, Erfolgen und spezifischen Besonderheiten. Behandelt werden dabei auch breit bekannte Beispiele wie die neue ecuadorianische Verfassung, vor allem aber verschaffen Burgers und den Outer weniger prominenten Initiativen Sichtbarkeit: Thematisiert wird etwa die Anerkennung der Rechte von ca. 200 Flüssen in Bangladesch, von Wasserreis in einem von Pipelineprojekten bedrohten Gebiet Minnesotas, vom niederländischen Teil des Wattenmeers oder die Pionierrolle Ugandas als erstem afrikanischen Land, das die Rechte der Natur im nationalen Rechtssystem festgeschrieben hat. En passant veranschaulicht der Band dabei, welche Bedeutung indigenen Bevölkerungsgruppen (v.a. im Globalen Süden) im Kampf für Eigenrechte der Natur zukommt und wie demgegenüber Bemühungen in den Gesellschaften der nördlichen Industriestaaten noch in den Kinderschuhen zu stecken scheinen. Insofern streift „Das Meer klagt an“ immer wieder auch die Frage nach der Wiedergutmachung kolonialen Unrechts und dem Verhältnis von Mensch und Natur, wobei es für eine holistischen Perspektive plädiert, in der die Beziehung von Menschheit und Natur keine hierarchische ist, sondern – mit Verweis auf indigene Kosmologien und Konzepte wie „Buen Vivir“ – die immanente Verbundenheit und Abhängigkeit voneinander betont wird. Letztendlich könne es somit nicht um die Verrechtlichung der Natur, sondern vielmehr um eine Ökologisierung des Rechts gehen.