Textilarbeiterin ; Indonesien ; Selbstorganisation ; Gewerkschaft
Mit dem titelgebenden Sprichwort „Leute machen Kleider“ erinnert Anja Engelhorn nicht bloß an den Beitrag menschlicher (v.a. weiblicher) Arbeit in der Textilproduktion, sondern nutzt dieses auch, um das Verhältnis von Kleidung und sozialem Status zu adressieren. In ihrer Dissertation stehen nämlich sozial konstruierte Rollen am Beispiel eines Arbeitskampfs in Indonesien im Vordergrund: „Denn im Rahmen der selbstverwalteten Produktion sind sie es, die die Kleider machen, aber eben unter ganz anderen Vorzeichen. Sie erlangen Handlungsmacht über die produktive und reproduktive Arbeit, (…) verändern aktiv ihre Arbeits- und Lebensrealitäten, empowern sich darin, politisieren sich und treten letztlich – metaphorisch wie tatsächlich – in ganz neuen Kleidern auf.“ Konkreter Untersuchungsgegenstand ist ein mehrjähriger Arbeitskampf von etwa 100 Textilarbeiterinnen gegen das Unternehmen PT Istana Magnoliatama im Norden Jakartas. Im Verlauf dieses Arbeitskampfes blockierten die Arbeiterinnen u.a. die Fabrik, kollektivierten die Produktionsmittel, vergemeinschafteten Reproduktionsarbeit und führten einen Rechtsstreit. Auf Grundlage von Expert_innen-Interviews und mit Bezugnahme auf die Grounded Theory befasst sich Engelhorn mit der Frage, wie die indonesischen Arbeiterinnen diesen Arbeitskampf im Kontext sozialer und v.a. geschlechtsspezifischer Rollen verstanden und aushandelten. Dabei plädiert sie für eine feministische und intersektionale Perspektive auf den Begriff des Arbeitskampfs, der die Verschränkung von Arbeits- und Lebensrealitäten (u.a.im Bereich der Care-Arbeit) berücksichtigt und sich von androzentrisch geprägten Vorstellungen der Arbeiter_innen-Organisation emanzipiere: So gebe es weitaus mehr widerständische Formen des Arbeitskampfes als nur den reichlich formalisierten Streik, der Arbeitskampfbegriff klassischer Gewerkschaften eigne sich nicht für Praktiken weiblichen Widerstands oder der kollektiven Organisation von Reproduktionsarbeit. Abschließend formuliert Engelhorn gesellschaftlich-emanzipatorische Potenziale solcher Widerstandspraxen: „Ein Verständnis von kollektiv organisierter Reproduktion als Teil gewerkschaftlicher Organisierungsprozesse und nicht als Blaupause, birgt großes Potenzial für den Arbeitskampf. Durch die Ausrichtung der Struktur und den Prozessen auf weit mehr als das Lohnarbeitsverhältnis, können auch andere Unterdrückungsverhältnisse adressiert und politisiert werden.“