Neoliberalismus ; Sozialpolitik ; Privatisierung ; Staat ; USA ; Geschichte
Seit etwa den 1970er-Jahren ist v.a. in Ländern des Globalen Nordens ein Aufstieg neoliberaler Politiken zu verzeichnen, die sich etwa durch eine Reduktion staatlicher Eingriffe, Deregulierung und Privatisierung ehemals staatlicher Kompetenzen auszeichnen. Ariane Leendertz möchte in ihrer Habilitationsschrift jedoch nicht bloß das „klassische Narrativ der neoliberalen Wende“ perpetuieren, sondern interessiert sich insbesondere für den Zusammenhang mit einem anderen Phänomen: Seit den 1960er-Jahren sei die – in weiterer Folge „solutionism“ genannte – Überzeugung politischen Handelns, mithilfe des Staates und seiner Kapazitäten gesellschaftliche Probleme auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse lösen zu können, erodiert. Leendertz zeichnet für das Beispiel der Vereinigten Staaten die Ermüdung des „solutionism“ und den damit einhergehenden Wandel von Staatlichkeit anhand zweier Analysefelder nach. Zum einen stellt sie die Krise des „solutionism“ in einen Kontext zunehmend verschränkter globaler Entwicklungen und Abhängigkeiten, welche die Legitimation der sozialwissenschaftlich-theoretischen Grundlagen dieser Politikkonzeption untergruben: „Die staatlichen Einrichtungen und Programme schienen mit jedem Versuch, auf die vielfach miteinander verzahnten Probleme einzugehen, nur selbst noch komplexer zu werden.“ Zum anderen arbeitet die Verfasserin exemplarisch an einem Politikfeld, der Urban Policy, konkrete institutionelle Veränderungen und Brüche heraus, die mit der neoliberalen Wende einhergingen. Deutlich macht Leendertz, dass der Begriff der „Staatlichkeit“ nicht abgeschlossen sei, sondern gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen unterliege. Der Staat sei weiters mehr als eine rein institutionelle Ordnung, sondern immer auch ein ideelles Konstrukt. Der Wandel von Staatlichkeit im späten 20. Jahrhundert sei jedoch nach wie vor kaum zeitgeschichtlich untersucht, identifiziert die Historikerin eine Forschungslücke und empfiehlt, dabei ideellen und institutionellen Wandel verschränkt zu analysieren und auch föderale Strukturen zu berücksichtigen.