Nachhaltigkeit ; Demokratie ; Konflikt ; Aufsatzsammlung
Intensivierender Klimawandel, Energiekrise oder auch die andauernde Pandemie verdeutlichen, dass die Grundlagen unseres Wohlstandsmodells erodieren und nicht mehr haltbar sind. Forderungen und Bemühungen um entsprechende Veränderungen kreisen um Nachhaltigkeit als zentrale Begrifflichkeit. So konsensfähig Nachhaltigkeit als politisches Paradigma jedoch ist, so diffus bleibt seine konkrete Bedeutung: „Die Eigenschaft der Nachhaltigkeit, gleichzeitig auf alles und nichts zu referenzieren, macht sie zur optimal geeigneten Leerformel, zur post-politischen Staffage, zur routinisierten Leer-Geste, mit der gleichzeitig Inhaltslosigkeit zelebriert und an dem immer dichter werdenden Schutzschirm gebaut wird, der dafür da ist, gerade nichts zu ändern, die Verhältnisse nicht anzutasten und weiter zu machen wie bisher.“ Diese „nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit“ und inhaltliche Beliebigkeit des Terminus zeitigen Abnützungserscheinungen: „Das Ziel der Nachhaltigkeit ist heute ein eher müder und zahnloser Tiger, der kaum noch zu mobilisieren vermag.“
Der vorliegende Sammelband versucht, diesem Begriff mehr Bissfestigkeit zu verleihen und Konflikte, Bruchlinien sowie Divergenzen entlang der nur vordergründig konsensualen Nachhaltigkeit einzuordnen. Die einzelnen Beiträge sind dabei in drei Abschnitte gruppiert, wobei sich der erste mit dem Verhältnis von Nachhaltigkeit und Zukunft auseinandersetzt. Thematisiert werden dabei die deutsche Nachhaltigkeitspolitik, Katastrophenerzählungen von Umweltbewegungen oder (grüne) Wachstumsgläubigkeit als nicht zu gewinnende „Faust’sche Wette“. Der zweite Abschnitt widmet sich grundsätzlichen Konfliktlinien und konkreten Kämpfen zugleich. Insbesondere die Energiewende und der Kohleausstieg bieten dabei symbolträchtige Untersuchungsgegenstände für die Auseinandersetzung mit heterogenen Akteur_innen, Motivlagen, Ambivalenzen und Dynamiken. Zur Sprache kommen dabei etwa Stadt-Land-Gefälle beim Strukturwandel, spezifische Interessenskonstellationen, Potenziale und Limitationen von Prozessen der Bürger_innenbeteiligung oder populistische Narrative von „Elitenkritik“ und „Anti-Ökologismus“. Im dritten Abschnitt „Wie weiter?“ sind schließlich Beiträge subsumiert, die nach dem Umgang mit diesen gesellschaftlichen Herausforderungen fragen, die Rolle bestimmter Akteur_innen bei der Transformation charakterisieren oder mögliche Zukunftsvisionen vorstellen. Behandelte Aspekte betreffen etwa Räume sozialer Nachhaltigkeit in ländlichen Gebieten, die Anschlussfähigkeit der Kommunikation von Fridays for Future oder die Bedeutung des Staates bei der Reorganisation der Energieversorgung. Eher deskriptiv denn normativ vermittelt „Umkämpfte Zukunft“ einen Eindruck der vielfältigen und teils widersprüchlichen gesellschaftlichen Konfliktlinien in Demokratien, in denen sich die Diskrepanz zwischen Transformationsbereitschaft und -notwendigkeit als „gleichzeitige Ungleichzeitigkeit“ stetig manifestiert.