Flucht ; Ursache ; Demokratische Republik Kongo
Nicht nur der politische Diskurs, auch die wissenschaftliche Forschung zu Migration beschränke sich in Europa vorrangig auf Fragen der Integration und der Regulierung von Fluchtbewegungen, vermisst Olivier Ndjimbi-Tshiende grundsätzliches Interesse zur Bekämpfung der Fluchtursachen und humanitären Notlagen: „Durch einen solchen, seit Jahrhunderten andauernden europäischen Egozentrismus löst man kein globales Problem.“ Der Verfasser adressiert dieses Defizit mit der vorliegenden qualitativen Studie am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo. Auf Basis von Feldforschung und codierten Interviews mit sowohl Expert_innen als auch der Bevölkerung in Kinshasa und der Küstenstadt Muanda skizziert Ndjimbi-Tshiende Motive und Treiber von erzwungener Migration. Behandelt werden in diesem Zusammenhang etwa gewaltsame Konflikte, Perspektivenlosigkeit, fehlende Gesundheitsversorgung, mangelnder Wohnraum und defizitäre Rechtsstaatlichkeit, aber auch weniger offensichtliche Faktoren – etwa koloniale Kontinuitäten oder einseitige Machtverhältnisse in der Entwicklungszusammenarbeit. Diese Struktur aus vordergründigen, versteckten und historischen Faktoren abstrahiert Ndjimi-Tshiende in seinem metaphorischen Modell eines „Massenfluchtmigrationsbaums“ und empfiehlt eine radikale Ursachenbekämpfung: „Um die Problematik der Massenfluchtmigration dauerhaft lösen zu können, ist es erforderlich mehr bei den Wurzeln anzusetzen als bei den vordergründigen Ursachen. Würden die Wurzeln des Baumes gründlich beseitigt, würde der Baum selbst samt den Blättern vertrocknen.“ Angereichert und illustriert wird diese sozialwissenschaftliche Analyse durch zahlreiche Zitate aus den Interviews, in denen die Befragten persönliche Erfahrungen sowie Einschätzungen teilen und Einblicke in unterschiedliche Lebensrealitäten der kongolesischen Bevölkerung gewähren.