Rumänien ; Diktatur ; Belletristik
„Variationen über letzte Tage“ ist Ádám Bodors Roman untertitelt und treffender lässt sich die düster-diffuse Stimmung kaum beschreiben. In einer von der Welt vergessenen Landschaft tragen sich seltsame Dinge zu, die wenigen verbliebenen Bewohner_innen des Tals nehmen Tragödien routiniert zur Kenntnis und unheilschwangere Vorahnungen ziehen sich wie die schwefeligen Nebelschwaden der lokalen Thermalquellen durch den Text. Der zivilisatorische wie moralische Niedergang der wohl im Karpatenraum verortbaren Region wälzt sich Seite um Seite in mystischen Bildern und mit hoher metaphorischer Qualität fort, stellvertretend für diese Entwicklung ist von der einst stolzen, hundertjährigen Tradition der Lokalbahn nur mehr ein an den Güterzug angehängter Personenwaggon (3. Klasse) übrig: „Außer mir wartete nur Bahnhofsvorsteher Stecc auf den Zug, den Leuten war in letzter Zeit offenbar die Lust am Bahnfahren vergangen. Vor Kurzem ging die Nachricht um, dass man die Bahnstation schließen und vielleicht sogar die Schienen abbauen und zusammen mit den Eisenbahnbrücken verkaufen würde, da die Eisenbahnlinie im Jablonka-Tal von der Furt des Pascha Tuverkan bis zum Ladeplatz des Holzlagers angeblich von Unbekannten vermessen worden sei, und es gab auch solche, die wissen wollten, dass das gesamte Tal, samt dem vielen hier vorhandenen Eisen, von einem reichen Fremden namens Bazil Haraklan gekauft worden sei. Man sprach auch darüber, woher er kam, von der reichen Ebene jenseits der Berge, aus einem gewissen Coltwildgarten, Todwildgarten oder einem ähnlich märchenhaft klingenden Ort. Angeblich sollen die Entlassungsbriefe der Bahnangestellten bereits verfasst worden sein, kein Wunder also, dass es immer weniger Menschen an den Bahnstationen gab.“
Der Fahrplan ist zu Beginn der Erzählung bereits abgeschafft und dies gilt gewissermaßen auch für Bodors Roman selbst: „Die Vögel von Verhovina“ profitiert weniger von einem dynamischen Handlungsrahmen, sondern von der dichten Aura des Beklemmenden, mit welcher der in Ungarn lebende Autor seinen Leser_innen reichlich Projektionsflächen anbietet und eine Gesellschaft im Niedergang heraufbeschwört. Vor einem kafkaesk-kakanisch anmutenden Hintergrundrauschen aus autoritären Abhängigkeiten und der spürbaren Willkür eines nicht näher beschriebenen Regimes erzählt Bodor von einer magisch aufgeladenen Peripherie, in der Figuren ebenso unverhofft auftauchen, wie sie wieder beiseitegebracht werden. „Wenn er gegangen ist, dann ist er eben gegangen. Deshalb bitte ich Sie, wenn Sie an der Kantine vorbeikommen, Bescheid zu sagen, dass man mir ab heute das Essen nur noch für eine Person bringen soll.“